In den Geschichten von Michael Krüger, die unter dem Titel „Der Gott hinter dem Fenster“ in einem Erzählungsband versammelt sind, geht es nicht ganz geheuer zu: Ein Mann hinter dem Fenster bildet sich ein, alle Menschen seines Viertels am Gang und an ihren Gesten zu erkennen - bis auf einen, der regelmäßig im Zwielicht kommt und sich beharrlich den gierigen Blicken des Beobachters entzieht. Dem Wanderer in den Schweizer Bergen ergeht es nicht besser - nicht genug, dass er auf Spuren von Wölfen stößt, hat er bald einen Weggenossen, der aus dem Nichts auftaucht und versucht, den einsamen Spaziergänger in seine Gewalt zu bringen. Und auch das Mädchen auf der Haustreppe erscheint ohne Vorwarnung und zieht in das Leben des perplexen Bewohners ein, in dem kein Stein auf dem anderen bleibt.
So frohgemut und selbstsicher die Figuren in Michael Krügers Erzählungen auftreten, scheitern sie letztlich an ihrem Glauben, die Welt sei eine geordnete. Sie alle finden sich früher oder später an dem Punkt wieder, an dem die Wirklichkeit den Blick freigibt auf ihre Bodenlosigkeit. Was dann zum Vorschein kommt, bringt Krüger atmosphärisch dicht zur Sprache.
Michael Krüger, geboren 1943 in Wittgendorf/Sachsen-Anhalt, lebt in München und ist zurzeit Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Er war viele Jahre Verlagsleiter der Carl Hanser Literaturverlage und Herausgeber der "Akzente" sowie der "Edition Akzente". Für sein schriftstellerisches Werk erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den Peter-Huchel-Preis (1986), den Mörike-Preis (2006) und den Joseph-Breitbach-Preis (2010).