Das Literaturhaus im Amtsgericht
Ein lebendiger Ort für Literatur
Das Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg | Literaturhaus Oberpfalz ist ein Treffpunkt für Autoren und Leser, für Wissenschaftler und Literaturinteressierte. Als Literaturhaus bietet es über das ganze Jahr Veranstaltungen zu aktuellen Büchern und literarischen Themen, ist Ort für Schreibseminare und alle zwei Jahre für die Regionalbuchmesse Oberpfalz. Als Archiv für moderne Literatur seit 1945 steht das Haus Forschenden, Studenten, Journalisten, aber auch Lehrern und Schülern zur Nutzung offen. Das Literaturmuseum eröffnet den Blick auf literarische Entwicklungen seit 1945 und zeigt regelmäßig Sonderausstellungen zu Literatur und Kunst.
Provinz ist, was du daraus machst!
Walter Höllerer, dem aus Sulzbach-Rosenberg stammenden Literaturwissenschaftler und -Manager (1922 – 2003), ist es zu verdanken, dass ein wichtiger Teil der deutschen Literaturgeschichte in der kleinen Stadt in der Oberpfalz dokumentiert ist. Höllerer, auch als Autor aktiv und Mitglied der „Gruppe 47“, blickte in seiner gesamten Laufbahn über die Ränder seiner Disziplin, des Landes und der literarischen Genres hinaus. So knüpfte er Kontakte zu den modernen Literatur-Strömungen seiner Zeit, lud Schriftsteller aus dem In- und Ausland zu Beiträgen in der von ihm herausgegebenen Zeitschriften „Akzente“ und „Sprache im technischen Zeitalter ein“ und organisierte Diskussionsveranstaltungen mit Architekten, Historikern, Ingenieuren und Personen aus dem gesamten Kulturbetrieb.
1977 stiftete Höllerer einen Großteil seines Archivs dem Freistaat Bayern und konnte so in seiner Heimatstadt Sulzbach-Rosenberg ein Literaturarchiv gründen. Ganz nach seinem Motto „Provinz ist, was du daraus machst“. Im ehemaligen Amtsgerichtsgebäude fand es mit zunächst über 35.000 Autorenbriefen seinen Platz. Höllerers offenem Geist ist das Haus bis heute verbunden. Die Weltoffenheit der einstigen Residenzstadt Sulzbach-Rosenberg wird hier ebenso fortgeführt wie der Austausch mit jungen Autoren und Autorinnen. Die Institution vereint die Aufgaben eines Archivs mit denen eines vielseitigen Literaturhauses und -Museums.
Wo sich Geschichte und Gegenwart verbinden
Schon beim Gründungsfest zeichnete sich das Profil ab: das Haus der Briefe wurde von den Autoren miteröffnet, die diese Briefe einst an Walter Höllerer und Hans Bender schrieben. Hans Bender, Michael Krüger, Günter Grass, der Literaturwissenschaftler Hans Mayer und viele andere waren dabei und auch später immer wieder zu Gast.
Seit 2010 führt das Haus offiziell den Namenszusatz „Literaturhaus Oberpfalz“. Als zentraler literarischer Veranstaltungsort für die Oberpfalz und die Metropolregion Nürnberg bringt das Literaturarchiv Autoren und Leser zusammen. Mit vielfältigen Autorengesprächen schafft es ein Diskussionsforum zu aktuellen Themen der Gesellschaft. Große Aufmerksamkeit erfahren die Literaturszenen der Länder Mittel-, Ost und Südosteuropas, deren Autoren regelmäßig zu Gast sind.
Das Archiv wächst
Zu den Aufgaben gehören neben der Förderung und Vermittlung von Literatur der Gegenwart satzungsgemäß insbesondere die Sammlung, Archivierung und Aufarbeitung von Materialien zur deutschsprachigen Literatur seit 1945. Zu den Beständen des Archivs zählen unter anderem die Redaktionskorrespondenz der Literaturzeitschrift „Akzente“ aus den Jahren 1954-1970, das einzig erhaltene Originalmanuskript der Erstfassung der „Blechtrommel“ von Günter Grass sowie der Nachlass des Archivgründers Walter Höllerer. Als jüngster Zuwachs kam das Archiv des Literarischen Colloquiums Berlin hinzu.
Literatur aus der Region ist mit dem Nachlass von Eugen Oker, dem Vorlass von Bernhard Setzwein, dem Verlagsarchiv des lichtung verlags und weiteren Sammlungen archiviert und dokumentiert.
Das Archiv und die Dauerausstellung eröffnen vielseitige Blicke auf die deutschsprachige Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur. Umfangreiche Autorenkorrespondenzen verdeutlichen, wie sich der Literaturbetrieb nach 1945, allen voran die „Gruppe 47“, etablierte . Zu sehen sind hier beispielsweise Briefe von Ingeborg Bachmann, Paul Celan, Heinrich Böll, Günter Eich, Thomas Mann, Peter Weiss und vielen anderen.
Die enge institutionelle Kooperation mit der Universität Regensburg und dem Literarischen Colloquium Berlin, das ebenfalls Walter Höllerer ins Leben rief, macht das Literaturhaus Oberpfalz zu einer Schnittstelle zwischen Forschung und Literaturbetrieb, zwischen Metropole und Provinz. Das LCB und die Universität Regensburg sind deshalb auch im Vereinsvorstand vertreten. Seit 1977 fördern das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, die Stadt Sulzbach-Rosenberg und der Bezirk Oberpfalz die Arbeit des Literaturarchivs durch ihre kontinuierliche Unterstützung.
Walter Höllerer – Gründer des Literaturarchivs Sulzbach-Rosenberg
Walter Höllerer wurde am 19. Dezember 1922 in Sulzbach in der Oberpfalz geboren. Ab 1941 nimmt er als Soldat am Zweiten Weltkrieg teil. Nach 1945 studiert er Germanistik, Philosophie, Geschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft in Erlangen, Göttingen und Heidelberg. 1949 promoviert er in Erlangen mit der Arbeit „Gottfried Kellers Leute von Seldwyla als Spiegel einer geistesgeschichtlichen Wende“. Von 1954 bis 1958 ist er Assistent an der Universität in Frankfurt/Main, er habilitiert sich mit dem Thema „Zwischen Klassik und Moderne. Lachen und Weinen in der Dichtung der Übergangszeit“ und lehrt Neuere Deutsche Literatur.
Literarisches Schaffen
Bereits 1952 debütiert Höllerer als Lyriker mit dem Gedichtband „Der andere Gast“ im Carl Hanser Verlag. Sein Mentor und Lektor ist Georg Britting. Aus diesem ersten Kontakt mit dem Carl Hanser Verlag entwickelt sich der Plan, eine literarische Zeitschrift zu gründen: Im Februar 1954 erscheint das erste Heft der Akzente, die Höllerer bis Ende 1967 zusammen mit Hans Bender herausgibt. Ab 1954 nimmt Höllerer an den Treffen der Gruppe 47 teil, zumeist als Kritiker, aber auch mit eigenen Texten. 1959 liest er aus seinem Roman „Die Elephantenuhr“, der erst viel später, 1973, erscheinen wird. Weitere Gedichtbände folgen: „Gedichte. Wie entsteht ein Gedicht“ (1964), „Außerhalb der Saison. Hopfengärten in drei Gedichten und neunzehn Fotos“ (1967), „Systeme. Neue Gedichte“ (1969) und „Gedichte 1942-1982“ (1982). 1978 erscheint im Suhrkamp Verlag zudem das Theaterstück „Alle Vögel alle“, das 1982 am Schiller-Theater in Berlin uraufgeführt wird.
Lehre und Vermittlung
1959 beruft man Walter Höllerer auf den Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Technischen Universität Berlin, den er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1988 innehat. Als Gastprofessor hält er sich mehrmals für längere Zeit in Amerika auf: 1960 lehrt er an der University of Wisconsin, 1973 und 1988 an der University of Illinois. Für seine Studenten organisiert er im Jahr 1960 die Reihe „Literatur im technischen Zeitalter“ in Berllin. Das international besetzte Podium wartet mit Namen wie Günter Eich, Ingeborg Bachmann, Günter Grass, Alain Robbe-Grillet, John Dos Passos u.a. auf und bietet Anstoß für weitere Aktivitäten. 1961 erscheint die erste Nummer der Zeitschrift Sprache im technischen Zeitalter, die als Ergänzung der Akzente geplant ist und einen Schwerpunkt auf die Funktion von Literatur und Sprache im Medienzeitalter setzt. In dieser Zeit ruft Höllererer, der immer auch ein Faible für neue technische Entwicklungen und Medien hat, auch das Institut für Sprache im technischen Zeitalter an der TU Berlin ins Leben.
1963 gründet Höllerer das Literarische Colloquium Berlin, ein Haus für Autoren, das gerade in den Zeiten des Kalten Krieges und nach dem Mauerbau ein Treffpunkt für Autoren aus Ost und West wird, aber auch eine Talentschmiede, der viele Autorinnen und Autoren ihre Entdeckung und Förderung verdanken. Zudem gehört Walter Höllerer am 13. Januar 1990 in der Nikolaikirche in Berlin (Ost) zu den Gründern der „Deutschen Gesellschaft“, die den Prozess der deutsch-deutschen Einigung kritisch begleiten und befördern sollte.
Herausgeber
Als Herausgeber betreut er nicht nur zwei Zeitschriften. 1956 sorgt seine Lyrik-Anthologie „Transit. Lyrikbuch der Jahrhundertmitte“ für Aufsehen. Höllerer ist außerdem Mitherausgeber der Werkausgaben von Friedrich Schiller (1957) und Jean Paul (1959-1967) sowie der Hanser-Reihe „Literatur als Kunst“. Auch an zahlreichen Editionen des Literarischen Colloquiums Berlin wirkt er mit. Er wird unter anderem mit dem Fontane-Preis der Stadt Berlin (1966), dem Johann-Heinrich-Merk-Preis (1975) und dem Horst-Bienek-Preis für Lyrik (1993) sowie dem Nordgaupreis für Dichtung des Oberpfälzer Kulturbundes (1994) ausgezeichnet.
Am 20. Mai 2003 stirbt Walter Höllerer in Berlin. Seinen Nachlass sowie das Archiv des LCB erschließt das Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
Links:
Walter Höllerer - ein Glücksfall für die TU Berlin
Walter Höllerer zum Nachhören auf www.dichterlesen.net
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